Ostwestfälisch- & Lippische Hanse

Hansestadt Wiedenbrück

benannt nach den "weiten Brücken" über die Ems

St.-Aegidius-Kirche
St.-Aegidius-Kirche

785 wird in Wiedenbrück eine von fünf Urpfarrkirche des Bistums Osnabrück gebaut. Ausgrabungen belegen die Entstehung einer Querhaus Basilika spätestens um 900.

Von 1259 bis zur Säkularisation 1810 bestand an der Kirche ein Kanonikerstift. Als Tochterkirchen wurden Rheda, Langenberg, Neuenkirchen, Gütersloh, St. Vit und Friedrichsdorf gegründet und das obere Emsland missioniert.

Das Missionszentrum erfreute sich früh der Förderung durch die Mächtigen des mittelalterlichen Reiches.

König Otto I. verlieh dem Kirchenherrn, Bischof Drogo von Osnabrück, 952 das Münz-, Markt- und Zollrecht für Wiedenbrück, in der Hoffnung, dass sich der Ort bald zu einer Stadt entwickeln möge.

Stadtentwicklung

Lange Straße
Lange Straße

Die zunehmende Bedeutung des Hellwegs eine vom Sauerland über Lippstadt nach Nordosten führenden Fernstraße hat Einfluss auf die Stadtentwicklung, die an der Wende vom 12. zum 13. Jahrhundert in eine entscheidende Phase tritt.

Wiedenbrück wird 1231 erstmals civitas genannt, 1249 die Neustadt gegründet,

Bischöflichen Verwaltung auf dem Reckenberg

 Amt Reckenberg.
Amt Reckenberg.

1225 erhielt Bischof Engelbert von Osnabrück die Gogerichte zu Wiedenbrück und anderen Städten. Damit verfügte der Osnabrücker Bischof fortan über die Rechtsprechung der Exklave im Bistum Münster, was seine Herrschaft weiter festigte.

1250 wurde das Amt Reckenberg (Redekenberg genannt nach dem Sechs-Speichenrad-Wappen des Hochstifts Osnabrück) gegründet. Es bestand aus Dörfern und Bauerschaften  des oberen Emslandes mit Zuständigkeiten für Kirchen, Standesamt, Einwohnerverwaltung, Katasteramt, Amtsgerichten (Testamente, Nachlaß-, Erbschafts- u. andere Gerichtssachen), Polizei, Bauamt ... Verwaltungszentrum war die Stadt Wiedenbrück.

1259 gründete der Osnabrücker Bischof Baldwin ein Kollegiatsstift in Wiedenbrück; er inkorporierte dem Stift die Kirchen zu Wiedenbrück. St. Vit, Rheda, Gütersloh, Neuenkirchen und Langenberg und übertrug dem Propst das Archidiakonat über die genannten Kirchen. In Spitzenzeiten lebten und beteten hier weit über 20 Geistliche.

Burg Reckenberg – Verwaltungssitz
Burg Reckenberg – Verwaltungssitz

In den folgenden Jahrhunderten wurde Reckenberg häufiger verpfändet.

Friedrich von Post Ritter zu Oldendorf, Drost zu Schaumburg bemächtigt sich wegen Forderungen an den Landesherren um 1309 zusammen mit seinen Brüdern der Burgen Iburg und Reckenberg sowie aller Einkünfte aus der Stadt Wiedenbrück.

Bischof Engelbert II. sah sich deshalb im Jahre 1312 genötigt, Reckenberg für 2900 Mark zu verpfänden. Teile dieser Pfandschaft gingen 1317 an die Grafen Friedrich und Otto von Rietberg über. Am 23. März 1346 wurde Reckenberg nebst Wiedenbrück den Brüdern Heinrich und Alef v. Batenhorst pfandweise überlassen. Die Pfandschaft wurde 1553 nach längeren Verhandlungen für 3 500 Goldgulden und 1500 Taler seitens des Osnabrücker Bischofs abgelöst.

Im Zuge der Neuregelung der Bistumsgrenzen 1823 kam Wiedenbrück mit dem gesamten Amt Reckenberg an das Erzbistum Paderborn.

Die ursprüngliche Beziehung zu Osnabrück ist weiterhin an vielen Stellen spürbar, zum Beispiel im Wiedenbrücker Stadtwappen. Das Rad des Wappens ist dem Stadtwappen Osnabrücks entlehnt.

Stadtverfassung

 Historisches Rathaus
Historisches Rathaus

Um 1462 entsteht in Wiedenbrück eine erste Stadtverfassung nach dem Vorbild von Osnabrück. Die historische Ratswahl erfolgte jährlich am 1. Januar. Gewählt wurden jeweils 2 Bürgermeister oder Vorsteher und die Achtmannen oder Ratsherren. Gewählt wurden diese durch 3 Kürgenossen aus den 4 Stadtbereichen.

Handel u. Gewerbe

Der Markt eine bischöflich-osnabrückische Gründung, sorgte nicht nur für die Befriedigung der Nachfrage des Ortes und der nahen Umgebung, sondern diente auch für den durchziehenden Fernhandel als Versorgungsstellen und Zwischenstationen. Er verband Osnabrück mit Paderborn und bezeichnete außerdem den Weg von Münster sowie von der oberen Lippe und Ruhr nach dem Paß von Bielefeld im Teutoburger Walde.

Die frühste schriftliche Erwähnung der Wiedenbrücker Gilden findet sich im Stadtbuch um 1480. Zu diesem Zeitpunkt gab es bereits „van den ghildemesteren der veir ampte” (von den Gildemeistern der vier Ämter”). Bis 1598 bildeten die Kramer und Schneider unter dem Namen St. Johannes-Amt eine gemeinsame Zunft.

In seiner Blütezeit gehörte Wiedenbrück als Beistadt von Osnabrück der Hanse an.

Es entwickelt sich eine reiche katholisch kirchliche Bürgerkultur mit Prozessionen und einem Kunsthandwerk, das in der Kirchenausschmückung ihren Mittelpunkt hat. Über 1.700 neuerbaute oder modernisierte Kirchen mit Altar- und Bildschnitzkunst wurden ausgestattet. Diese Handwerkskunst wird als Wiedenbrücker Schule bezeichnet.

Kaufmann und Stadtkämmerer Eberhard Tecklenborg

Haus Ottens
Haus Ottens

Mit 22 Jahren siedelt er von Rheda nach Wiedenbrück über. Korrekt gesagt wurde er eingebürgert, denn das sogenannte Ausland fing damals schon an der Stadtgrenze an. Drei Jahre später wird er ins wiedenbrücker Krameramt aufgenommen, Voraussetzung für den Gewinn bringenden Handel mit Gewürzen und Weinen. Im gleichen Jahr heiratet er die Tochter des Wiedenbrücker Bürgermeisters. Man darf annehmen, dass am Zustandekommen dieser Verbindung die beiden Väter, die sich als Bügermeister wahrscheinlich gut kannten, nicht ganz unbeteiligt waren.

Die Geschlechter des damaligen »Ortsadels« verheirateten ihre Kinder nach Möglichkeit immer standesgemäß.

Eberhard macht in Wiedenbrück schnell Karriere. Als Kaufmann gründet er ein Geschäft, das ihm Wohlstand bringt und auch bei der Stadt gelangt er als Lohnherr (heute Stadtkämmerer) zu Amt und Würde.

Er tritt als Spender für die höhere Knabenschule hervor und kann der Stadt Wiedenbrück in finanziell angespannter Zeit durch die Vermittlung eines Kredits helfen. Tecklenborg hat Einfluss und ist gut vernetzt, wie man heute sagen würde.

Wahlspruch der Familie: »Deus providebit« – »Gott wird sorgen«.

Dass er bereits nach 10 Jahres als »Eingewanderter« Wohlstand und Anerkennung genießt, darf als ungewöhnlich angesehen werden und spricht für seine kaufmännischen Fähigkeiten und seine persönliche Integrität. Doch er muss auch schwere persönliche und finanzielle Rückschläge hinnehmen. Beim Einfall dänischer Truppen verliert er fast sein ganzes Vermögen. Besonders schwer hat ihn sicher auch der tragisch frühe Tod seiner Frau Elisabeth nach nur acht Jahren Ehe getroffen haben. Sie stirbt in Folge der Kriegserlebnisse.

Diese Schicksalsschläge überwindet er dennoch schnell und heiratet die Tochter der angesehenen Wiedenbrücker Richterfamilie Volmari.

Bereits 1635 ist sein Vermögen wieder so stark angewachsen, dass er mit seiner zweiten Frau das heutige Haus Ottens errichten kann. Es entsteht eines der repräsentativsten Gebäude der Stadt und der Wahlspruch der Familie, »Gott wird sorgen«, scheint sich zu bewahrheiten. Der damals erst 37 jährige Eberhard hat viel erreicht und lässt überaus selbstbewusst sein eigenes Abbild an der Fassade seines Prachtbaus verewigen.

Stadtbefestigung

 Innenansicht des Pulverturms
Innenansicht des Pulverturms

Die Stadt war im Mittelalter mit einer Stadtmauer und einem vorgelagerten Zwinger umgeben. Nach der Einführung der Feuerwaffen wurde die Zwingermauer Anfang des 16. Jahrhunderts durch halbrunde Türme verstärkt, die die Verteidigung mit Hakenbüchsen ermöglichte. Vermutlich wurden die Türme im Abstand von etwa 80 Metern errichtet.

1713 verpachtete die Stadt Wiedenbrück den damals Dwenger genannten Turm an den Hofherren und Bürgermeister Constantin Tecklenborg mit der Auflage, den Turm in Verteidigungsbereitschaft zu halten. Im 19. Jahrhundert gelangte der Turm dann mutmaßlich in das Eigentum der Familie Tecklenborg.

Reformation

In der Reformationszeit wandte sich Wiedenbrück dem Luthertum zu. Bischof Franz von Waldeck holt 1543 Hermann Bonnus aus Lübeck, der eine neue lutherische Kirchenordnung verfasst.

Zeugnisse dieses Wechsels finden sich noch zahlreich an den Bürgerhäusern des 16. Jhs.: Mit Fachwerkinschriften, wie : „Si deus pro nobis quis contra nos“ (Wenn Gott für uns ist, wer kann gegen uns sein?) demonstrierte ein selbstbewusstes protestantisches Bürgertum seine Eigenständigkeit.

Marienkirche
Marienkirche

Dessen Reaktion blieb nicht aus: 1625 übergab der Fürstbischof von Osnabrück Kardinal Franz Wilhelm von Wartenberg die Marienkirche in Wiedenbrück dem Jesuitenorden mit dem Auftrag, die Stadt zu rekatholisieren. Ab 1644 führten Franziskanermönche das Werk fort. Während des Dreißigjährigen Krieges konnten auch die vorübergehenden Besetzungen der Stadt durch dänische (1626) und schwedische (1647) Truppen die Durchsetzung der Gegenreformation nicht aufhalten.