Ostwestfälisch- & Lippische Hanse

Reichs- und Hansestadt Herford

 Münsterkirche des reichsunmittelbaren Frauenstifts in Herford
Münsterkirche des reichsunmittelbaren Frauenstifts in Herford

Um 789 gründete der Edelherr Walt(g)her auf seinem Besitz „Oldenhervorde“ eine Benediktinerinnenabtei. Das Stift wird um 800 auf den Grund seines Hofes „Herivurth“ an der Kreuzung wichtiger Straßen und Furten über Aa und Werre verlegt. 823 wurde das Stift Herford vom Kaiser Ludwig dem Frommen zur Reichsabtei erhoben und mit einem Drittel der eigentlich für Corvey vorgesehenen Güter ausgestattet (39 Oberhöfen und rund 800 zinspflichtigen Unterhöfen). 853 ernannte Ludwig der Deutsche den Abt von Corvey zum Verwalter des Stifts.

Im Laufe des 9. Jahrhunderts bildete sich in der Nachbarschaft des Königshofs Odenhausen und des Reichsstifts Herford eine Kaufmannssiedlung, ein sogenannter Wik. 926 zerstörten die Ungarn sowohl das Stift als auch die Wik. Mathilde, die Gemahlin König Heinrichs I. sorgte anschließend für einen raschen Wiederaufbau. 973 bestätigte und erneuerte Kaiser Otto I. dem Reichsstift Herford die Ausübung des Münz- Markt- und Zollrechts in Odenhausen (im heutigen Stadtteil Radewig).

Herford und Äbtissin Gertrud II.

Altstadt
Altstadt

Um das Jahr 1220 wird Herford erstmals urkundlich als "Stadt“ ("civitas“) bezeichnet, obwohl der städtische Charakter des Ortes bis weit in das 11./12. Jahrhundert zurückreicht. Die Stadt bestand am Anfang aus den auch heute noch so genannten Stadtteilen Radewig und der Altstadt.

Maßgeblich an der Entwicklung beteiligt ist die Äbtissin Gertrud II., eine Tochter des Edelherren Bernhard II. zur Lippe. Zum Beispiel zogen 1221 Gefolgsleute der Äbtissin vor die Stadt Bilivelde (Bielefeld) und zündeten sie an, weil die neuen Bewohner Holz für den Stadtbau aus den umliegenden Wäldern der Reichsabtei entnahmen. Darüber hinaus ließ sie sich in einem Sühnevertrag mit dem Graf von Ravensberg zusichern, dass die Bielefelder keine Untertanen des Stifts ohne Zustimmung der Äbtissin als Mitbürger aufnehmen durften. Auf diese Weise sollte es den Hörigen der Äbtissin erschwert oder unmöglich gemacht werden, durch die Bürgeraufnahme in Bielefeld ihre Freiheit zu erwerben und sich der Herrschaft der Äbtissin zu entziehen.

Stadtmauer
Stadtmauer

Die Stadt war von einer etwa 3,5 km langen Stadtmauer mit vorgelagertem Wall und Graben sowie 14 Türmen und 6 Toren umgeben. Für den Erhalt der Befestigungsanlagen kam vertragsgemäß die Stadt auf. Zu jedem Stadtteil gehörte eine jenseits der Stadtmauer gelegene Feldmark. Alle Feldmarken waren von einer schützenden Landwehr umgeben. Die Durchgänge der Landwehr wurden von den Bäumerhöfen aus überwacht. Die Bäumer erhob am Schlagbaum Wegegeld (Zoll) von den durchfahrenden Kaufleuten.

„Sancta Herfordia“ (heiliges Herford)

Jakobikirche  "Radewiger Kirche"
Jakobikirche "Radewiger Kirche"

Bis zum Ende des 15. Jahrhunderts erstanden in „Sancta Herfordia“ (dem Heiligen Herford) ca. 37 Kirchen, Kapellen, Stifte, Klöster, Hospitäler und kirchliche Häuser. 

Wallfahrtsort wurde Herford im Mittelalter, als die Pilger, insbesondere die Jakobspilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela, in großer Zahl auf den Stiftberg kamen. Anziehungspunkte für die Pilger waren darüber hinaus die wundertätige Marienkirche als Ort der Herforder Vision so wie die heilige Pusinna, deren Reliquie in der Münsterkirche aufbewahrt wurde. 

In der Radewig, dem Rast- und Marktplatz der Fernhändler, wurde eine Kapelle errichtet, aus der die spätere Jakobikirche (Radewiger Kirche) entstand. In einer Urkunde von 1262 wird ein Opferstock erwähnt, an dem Pilger reiche Opfergaben niederlegten. Im Jahr 1530 wurde die Kirche auf Anordnung des Rates wegen der zur Landplage gewordenen Pilger geschlossen. Jakobspilger wurden jedoch noch bis ins 17. Jahrhundert in der Stadt gesehen.

Am Donnerstag nach dem 1. Advent im Jahre 1590 wurde sie als evangelische Kirche wiedereröffnet. Da zu dieser Jahreszeit keine Blumen zum Ausschmücken der Kirche zur Verfügung standen, wurde hierfür „Braunkohl“ verwendet. Noch heute wird aus diesem Anlass das Radewiger Kohlfest gefeiert.

Wirtschaftlich und politische Stärke der Stadt

Giebel des  Rathauses der Herforder Neustadt
Giebel des Rathauses der Herforder Neustadt

Der Rat bestand aus neun Bürgern der Stadt und vier Bediensteten des Stiftes, die im Namen der Äbtissin – der Stadtherrin – mitregierten.

Äbtissin Ida  verzichtete 1255  zugunsten der Stadt auf den Besitz der ca. 2.600 ha großen Feldflur (Feldmark), die sich wie ein Ring rund um die Stadt legte. Ein Jahr später übertrug sie der Stadt dauerhaft das Burggericht,wodurch der Rat fast alle Bereiche des Wirtschafts- und Alltagslebens selbständig regeln konnte. Die Stadt garantierte dem Stift im Gegenzug hierfür den militärischen Schutz. Sie erlangte hiermit nun auch auf dem Papier die Wehrhoheit, die sie durch den Anschluss an Landfriedensbündnisse wie den Ladberger Bund (1246) und den Rheinischen Bund (1255) faktisch bereits wahrnahm.

Hanse-Mobilität

Seit dem Ende des 13. Jahrhunderts ist Herfords Teilnahme am Fernhandel und seiner Mitgliedschaft in der Hanse nachweisbar. Die Haupthandelswege waren die Weser und der Landweg nach Flandern, wo in Brügge bedeutende Mengen an Leinwand abgesetzt wurden.

Der kaufmännischen Flexibilität entspricht, dass die Händler nicht unbedingt mit Waren aus ihrer Heimat unterwegs waren. So wurden z.B. einem Herforder Kaufmann in Lübeck zehn Tonnen Hering beschlagnahmt.

1295 stellt sich Herford auf die Seite Lübecks als neuer Führungsmacht der Hanse.

Die „Dreistädte“ Herford, Lemgo und Bielefeld arbeiteten in der Hanse eng zusammen. Dieses besondere Zusammenwirken wurde von den anderen Hansestädten anerkannt, somit konnten Sie sich bei den Hansetagen und in Schreiben an die Hanse auch unter dem Siegel einer Stadt gegenseitig vertreten.

1468 nahm Bürgermeister Heinrich Smakepeper als gemeinsamer Vertreter der drei Städte am Hansetag in Lübeck teil. Erreicht wurde dieses abgestimmte Vorgehen durch gemeinsame Hansetage in Schötmar.

Binnenschifffahrt der Herforder

Vor allem der Einfuhrhandel mit Fetten, Fisch und Leinsamen, fand über die Weser statt. Vom Hansehafen Bremen aus gelangten die eingeführten Güter mit einem speziellen Binnenschiff, der sogenannten „Mast“ nach VIotho und wurden, da die Werre nicht schiffbar war, von dort auf dem Landweg nach Herford weitertransportiert. 

 

Zollstreit mit Bremen

1603 erhöhten Hamburg und Bremen drastisch die Zölle auch für die Hansekaufleute der Dreistädte. Der Streit eskalierte so weit, dass 1613 vier Herforder Kaufleute in Bremen festgesetzt wurden, die in Lübeck oder Hamburg Leinsamen gekauft hatten. Bremen wollte nicht nur Zoll eintreiben, sondern vielmehr Zwischenhändler werden. Gemeinsam mit Soest und Lippstadt verfassten die Dreistädte ein Protestschreiben an Lübeck, das auf die alten hansischen Privilegien verwies, und die Einsetzung der alten Tarife forderte. Bis zum Dreißigjährigen Krieg war die Hanse jedoch nicht mehr in der Lage, mäßigend auf die nur auf ihren eigenen Vorteil bedachte Hansestadt Bremen einzuwirken.

Obwohl Herford seit der Mitte des 16 Jahrhunderts keine Vorteile mehr in der Hansemitgliedschaft sah, blieb es aus Tradition bis zum endgültigen Hansezerfall dabei. 

Kaufmannsgeschlecht Smakepeper

Siegel Heinrich Smakepeper, 1454.
Siegel Heinrich Smakepeper, 1454.

Die Nachkommen des Bürgermeisters Heinrich Smakepeper waren alle Ratsmänner und in den meisten Fällen auch Bürgermeister. Der Advokat Dr. jur. Hermann Schmackpfeffer, promovierte 1642 in Bremen und beriet die Stadt Herford im Streit mit den Brandenburgern. 1649 stand er als Kaiserlicher Notar dem Burggericht vor.

Albert Marius Hermann Schmackpfeffer gehört zur letzten Generation der Schmackpfeffer, die in Herford lebte. Er wurde dort am 16. September 1683 geboren und zog um 1700 nach Barby an der Elbe. Die Abwanderung fällt zusammen mit dem Beginn des Abstiegs Herfords von einer freien Reichs- und Hansestadt zur Ackerbürgerstadt unter brandenburgisch-preußischer Herrschaft. Es wird angenommen, dass auch viele Kaufleute und Handwerker Herford den Rücken kehrten.

Es ist aber kein Zufall, dass Albert Marius Hermann Schmackpfeffer in Barby in die Dienste von Herzog Heinrich tritt. Albert Marius Hermann folgte der Herforder Fürstäbtissin Elisabeth Albertine von Anhalt-Dessau, die im Alter von 15 Jahren 1680 nach Herford kam und 1686 ausschied, weil sie den Herzog Heinrich von Sachsen-Barby am 30. März 1686 in Dessau heiratete.